Unterschiede der Aufstellungsformen
Was sind nun die qualitativen Unterschiede zwischen beiden Aufstellungsformen?
Philosophische Voraussetzungen der Aufstellungsarbeit nach Bert Hellinger:
Schon früh stellte Hellinger für seine Arbeit klar: „Wenn jemand die Toten aufstellt, stellt er keine Bilder von ihnen auf. Er stellt die Personen auf, er stellt die Toten selber auf. Wenn wir aufstellen, dann verschieben wir nicht die inneren Bilder, die einer hat, wir verschieben die Toten.
(Der Philosoph) Heidegger bringt ein Beispiel über Wahrnehmung. Er sagte, er war auf dem Feldberg. Dort oben ist ein Turm. Wenn er jetzt nach Hause geht und stellt sich den Turm auf dem Feldberg vor – wo ist der Turm? Der Turm ist auf dem Feldberg, und er ist mit seiner Wahrnehmung bei dem Turm. Es ist nicht der Turm vom Feldberg zu ihm gekommen und ihm jetzt als Bild präsent. … (Dies) ist natürlich die philosophische Grundfrage überhaupt, die in den Kontroversen über diese Arbeit eine Rolle spielt. Haben wir die Wirklichkeit in uns nur als Bilder? Beschäftigen wir uns im Grunde nur mit inneren Bildern, oder mit etwas außerhalb von uns?“ (Bert Hellinger in: Mit der Seele gehen, Herder Spektrum, 1. Aufl. 2001, S. 36 f).
Während in anderen Aufstellungsformen, wie z.B. den Strukturaufstellungen, von „innerseelischen Repräsentanzen“ z.B. der verstorbenen Familienmitglieder, ausgegangen wird, geht Bert Hellinger ganz deutlich von realen Beziehungen, auch von uns Lebenden zu den Toten, aus. Dies ist eine eindeutige erkenntnistheoretische (bzw. –praktische) Haltung in der Aufstellung „nach Hellinger“, auf deren Grundlage die Wirkungen der Aufstellungen basiert.
„Verstrickung“ ist demnach eine Art Besetzung (man könnte auch sagen „Überlagerung“) des eigenen energetischen Status´ mit dem einer oder mehrerer anderer Personen. Die „Lösung“ solcher Überlappungen durch das liebevolle anerkennen des Anderen in seinem So-Sein und des ihm zustehenden Platzes im Lebensgeschehen ist sowohl Weg als auch Ziel der hellingerschen Aufstellungen. Das Feld der Aufstellungsarbeit umfasst heute, von seinen Grundannahmen her gesehen, eine immens große Spannbreite und die Methode ist so eindrücklich und anschaulich, dass wir, mit welcher Begründung auch immer, bei verantwortungsvoller Handhabung mit neuen Einsichten rechnen können.
Man könnte Aufstellungen als das „Mikroskop der Geistes- und Sozialwissenschaften“ bezeichnen, da hierdurch zwischenmenschliche Beziehungen auf eine besondere und in dieser Form einmalige Weise sehr konkret veranschaulicht werden können. Da es sich hierbei um ein Gruppengeschehen handelt, kann jeder Anwesende die Stimmigkeit für sich überprüfen.
Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass die Regeln der Zugehörigkeit („Ordnungen der Liebe“) sowie die Grundprinzipien der Aufstellungsarbeit (z.B. die Drehrichtung der Zugehörigkeit von rechts nach links) heute von Aufstellern fast aller Coleur als Grundlage ihrer Arbeit verwendet wird, auch wenn sie selbst noch nichts von Bert Hellinger gehört haben oder sich nicht zu diesen Anleihen bekennen würden.
Unterschiede zwischen den Bewegungen der Seele und den Bewegungen des Geistes
Eine Entwicklungs-Tendenz ist dabei die Bewegung von Außen nach Innen. Das heißt: Wir können Aufstellungen sowohl im äußeren Raum (mit Stellvertretern in der Gruppe) als auch in einer inneren Begegnung vollziehen, in dem wir uns auf eine innere Verbindung zu den betreffenden Personen einstellen. Dies gilt sowohl für Lebende als auch für verstorbene Menschen. Die zeitliche Dimension von früher und heute spielt dabei keine Rolle. Als Bild dafür möchte ich folgende Übung anbieten: Stellen Sie sich zunächst eine nahestehende Person in Ihren inneren Bildern vor. Dann gehen Sie allmählich mit Ihrer Aufmerksamkeit sozusagen `aus Ihrem Körper hinaus´, in Richtung der anderen Person. Sie sind nun mit Ihrer Aufmerksamkeit beim anderen.
Wenn dieser auch gerade an Sie denken sollte, begegnen Sie sich mit ihrer Wahrnehmung sozusagen `auf halbem Weg´ und schlagen eine Brücke zueinander. Dies ist eine Begegnung über die räumliche Trennung hinweg und ebenfalls ganz im gegenwärtigen Augenblick. Der energetische Austausch, der dabei stattfindet, verändert beide Seiten unmittelbar.
In welchen Dimensionen bewegen wir uns also mit unserer aufmerksamen Verbindung?
Wirkt die gleiche innere Bewegung auch zwischen uns Lebenden und den Toten?
Verändern sich auch hier beide, durch ihre achtsame Aufmerksamkeit füreinander?