Entstehung

Entstehung der Familienaufstellungen

Bert Hellinger, der von der Einzeltherapie her kam, hatte sich mit verschiedenen Methoden vertraut gemacht und arbeitete unter anderem als Gruppenanalytiker in eigener Praxis. In den USA hatte er die Primärtherapie erlernt und all diese Vorerfahrungen flossen dann in seine Form des Aufstellens, die bald als „Familienaufstellung“ bekannt wurde, mit ein. Charakteristisch für seine Aufstellungsarbeit war von Anfang an eine hohe Verdichtung. Einerseits reduzierte er die Aufstellungen auf wesentliche Aspekte: Er verzichtete auf Gestik und Mimik. „Wir benötigen nur die Positionen im Raum“ (Hellinger). Andererseits brachte er die Essenz der Individualtherapie in Form der „Unterbrochenen Hinbewegung“ mit in das Aufstellungsgeschehen hinein. Das Ergebnis war eine Verschmelzung von persönlicher und familiärer Dynamik in einem Aufstellungsprozess mit atemberaubender existentieller Verdichtung. Diese Dichte zog von Anbeginn ihres öffentlichen Bekanntwerdens, durch das Buch „Zweierlei Glück“ (Hg. Gunthard Weber) 1993 und die unmittelbar darauffolgende große Nachfrage nach den Aufstellungsseminaren, sowohl viele Anhänger wie auch Kritiker in ihren Bann.

 

Klassische Familienaufstellungen

Eine immer wieder beachtliche und auch bewundernswerte Fähigkeit Bert Hellingers war es, sich von den Phänomenen und Dynamiken, die in den vielen Aufstellungen sichtbar wurden, zu den daraus resultierenden Erkenntnissen leiten zu lassen. Dabei bewies er großen Mut darin, sich diesen Erscheinungen und Erkenntnissen mit allen Konsequenzen voll und ganz auszusetzten, ohne die daraus resultierende Kritik außenstehender Beobachter zu scheuen. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Anfangszeit entsprachen dem Titel seines ersten Buches „Ordnungen der Liebe“. „Die Liebe füllt, was die Ordnung umschließt. Sie ist das Wasser, die Ordnung der Krug.“ (Bert Hellinger).

Ein philosophischer Satz in Anlehnung an Martin Heidegger drückt diese Ordnungen auf andere Weise aus: „Das Sein wird durch die Zeit strukturiert“. Wo diese `Regeln des Zusammenlebens´ missachtet werden, sind die Beziehungen gefährdet und vom Scheitern bedroht. So hat z.B. in der Geschwisterreihe das älteste Kind Vorrang und auch Vorrechte gegenüber den jüngeren Geschwistern. In der alltäglichen Praxis kann man sehr häufig beobachten, dass diese „Ordnung“ missachtet wird und die Gefahr einer Bevorzugung des jüngsten Kindes groß ist: Alle stürzen sich auf den kleinen süßen Erdenbürger und dieser `ergreift früh seine Chance´, die älteren Geschwister `auszubooten´.

Dies kann zu existentiellen Unsicherheiten führen, denn das oder die älteren Kinder fühlen sich nicht mehr sicher und an dem ihnen zustehenden Platz bedroht. Die wache Einsicht der Eltern und ein paar klare Sätze stellen die Beziehungssicherheit wieder her: „ Du bist und bleibst unser ältestes, erstes Kind. Auch wenn Du jetzt noch ein kleines Geschwisterchen bekommen hast, das noch hilflos ist und viel Aufmerksamkeit benötigt, bist und bleibst Du unser Großer/unsere Große“. Mit dieser Sicherheit wird sich das ältere Kind auch gerne in ein `Mit-versorgen´ des kleinen Geschwisters einbeziehen lassen. In einem Aufstellungsbild kann man auf eindrückliche Weise sehen, wie gerne die Kleinen den „ersten Platz“ einnehmen möchten, wie getroffen die zurückgedrängten älteren Geschwister reagieren und wie ungern die Kleinen den einmal errungenen Premium-Platz wieder `räumen´.

Eine immense Bedeutung kommt den „Ordnungen der Liebe“ auch in zusammengesetzten, sogenannten Patchwork-Familien, zu. Aufgrund ihrer komplexen Beziehungsstrukturen sind die Trennungs-/Scheidungsraten hier noch höher als bei den sog. Kernfamilien. Kurz gesagt, ist hier besonders bedeutsam, dass die Kinder aus der gescheiterten Ehe in gewisser Weise Vorrang vor dem/der neuen PartnerIn haben, denn sie waren schon vor diesem da.

Wir haben es hier mit zwei verschiedenen Ebenen zu tun: Auf der Paarebene hat die neue Partnerschaft Vorrang vor der Alten, aber auf der Familienebene haben die Kinder den Vorrang. Wenn das nicht klar gesehen und respektiert wird, scheitert die neue Beziehung früher oder später. In den klassischen Familienaufstellungen geht es in erster Linie darum, Verstöße gegen die Ordnungen sichtbar zu machen und auf heilsame Weise zu korrigieren. Ziel ist es, jedem Mitglied der Familie den ihm gebührenden Platz zukommen zu lassen. Zur Familiensippe im engeren Sinne gehören drei Generationen: Die Eigene und die der Eltern mit Geschwistern, Halbgeschwistern und auch den früheren Partnern, sowie die Großeltern und deren frühere PartnerInnen.

Wenn auch nur einer von ihnen im Seelenraum der Familie fehlt, entsteht eine Dysbalance im System, die vom Sippengewissen dadurch versucht wird, auszugleichen, dass ein Nachgeborener quasi dazu gezwungen wird, dieser fehlenden Person ähnlich zu werden. Man nennt dies eine „systemische Verstrickung“. Der Betroffene wird erst wieder frei für seine eigene, ihm gemäße Entwicklung, wenn die ausgegrenzte oder vergessene Person ihren Platz und ihre Anerkennung im System erhält.

Man nennt dies eine „systemische Verstrickung“. Der Betroffene wird erst wieder frei für seine eigene, ihm gemäße Entwicklung, wenn die ausgegrenzte oder vergessene Person ihren Platz und ihre Anerkennung im System erhält.

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